Rezension: Fallout 3

Vault Schreiberling

Fallout 3

„We’re not going to suddenly do a top-down isometric Baldur’s Gate-style game, because that’s not what we do well.“

…sagte Pete Hines (PR-Vizepräsident bei Bethesda) anno 2004. Im Juli 2007 wurde die Spielewelt mit den ersten Fakten und Bildern von Fallout 3 konfrontiert und tausende Fallout-Fans schrien in panischer Angst auf und verstummten erst lange Zeit später wieder. Etwas Furchtbares war passiert. Der Traum einer angemessenen Fallout-Fortsetzung die kohärent zu ihren Prequels weitergeführt wird war endgültig vorbei.

Stan
RAAAAPE!!

(South Park, The China Problem – Stan muss mit ansehen, wie George Lucas
und Steven Spielberg Indiana Jones vergewaltigen)

Bethesda setzte Fallout lieber in bester Tradition der Elder Scrolls-Spiele fort: First-Person, Echtzeit, Sandbox-Design – Spielmechaniken, die sich grundsätzlich von denen der Fallout RPGs unterscheiden. Fallout war 1997 die Rückkehr zum Oldschool-RPG, designt mit dem Kampfsystem typischer Tabletop-Spiele.

Über ein Jahr lang konnten sich also die treuen und in der Vergangenheit durch zwei Ableger gescholtenen Fallout-Fans mental auf ein weiteres Spin-Off vorbereiten. Ein Spin-Off, das die zukünftige Fortsetzung der Reihe in eine endgültig andere Richtung lenken wird, weit weg von der ursprünglichen Idee des Spiels Fallout. Darüber zu diskutieren, ob Fallout 3 ein angemessenes Sequel ist, wäre aus mehreren Gründen obsolet. Enklave, Supermutanten, BoS, Vaults und der Vault-Boy (Ihr wisst schon, der neue PipBoy) machen aus Fallout 3 kein Fallout, genauso wie jemandem Federn in den Arsch zu stecken denjenigen noch lange nicht zum Huhn macht.
Was ist also Fallout 3? Oblivion with guns? Ein weiteres Action-Adventure im Geiste der letzten beiden Elder Scrolls-Spiele, das sich nur im Setting unterscheidet? Oder ist es ein gutes RPG, wie man es von Bethesda nicht mehr seit Daggerfall gesehen hat?

Um es auf den Punkt zu bringen: es tendiert zu letzterem.

Dogmeat, ich habe das Gefühl, wir befinden uns nicht mehr in Kalifornien.

Bethesda verlagerte Fallout 3 an die Ostküste, um mit eigenen Ideen die Fallout-Welt zu bereichern und aus vermeintlichen Kulanzgründen. Dort trifft der Spieler auf ein Washington DC und Umgebung, welches den Eindruck vermittelt, als ob der Atomkrieg erst rund zwei und nicht zweihundert Jahre her wäre: prallgefüllte Nuka Cola-Automaten, funktionierende Computer und essbare Nahrungsmittel im Nirgendwo. Und da alle Menschen Vaults und ihre Experimente mögen, hat Bethesda die Chance nicht ausgelassen einige davon auf der relativ kleinen Karte zur Freude des Spielers zu verteilen.

In einer davon, Vault 101, „die niemand jemals betritt und niemals jemand verlassen wird“, startet der Spieler seinen Aufenthalt in Washington mit einem Tutorial. Das Tutorial sollte kurz näher beleuchtet werden. Nicht weil das Prinzip die eigene Kindheit bis zum 19. Lebensjahr etappenweise zu durchleben so unheimlich originell ist, wie von der „Fachpresse“ so oft betont, sondern weil es einen ersten faden Eindruck vermittelt. Bethesda ist bekannt dafür, in ihren Elder Scrolls-Spielen eine interaktive Charaktergenerierung vorauszusetzen.

Je mehr man in Fallout 3-Previews davon gelesen hat (jede hatte einen Schwerpunkt darauf), desto mehr fragte man sich auch, ob es eine Möglichkeit zum Überspringen geben würde. Die gibt es nicht. Es ist nur möglich, kurz vor dem Verlassen der Vault zu speichern und den Spielstand zu archivieren, da es zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gibt, alle Charaktereigenschaften (SPECIAL, Skills, Geschlecht, Aussehen) noch einmal zu ändern. Das gesamte Tutorial in Vault 101 ist lang und zäh. Im finalen Abschnitt des Tutorials, der nötigen Flucht, stellt sich trotz der Verfolgung durch das Wachpersonal nie das Gefühl ein, man wäre tatsächlich in Gefahr. Nur so viel: Nie war es auf Level 1 einfacher, eine gesamte Siedlung auszulöschen (nur in Oblivion, aber das ist eine andere Geschichte).

So verlässt man Vault 101, „die niemand jemals betritt und niemals jemand verlassen wird.“

Du bist SPECIAL! …Nicht?

Das Charaktersystem in Fallout 3 ist inspiriert von dem aus den Vorgängern bekannten SPECIAL. Inspiriert deshalb, weil es bis auf den Namen nicht mehr viel damit gemein hat.

Nehmen wir das Beispiel Perception (Wahrnehmung): die Logik sagt solch eine Eigenschaft wäre irgendwie relevant für den Fernkampf. Tatsächlich profitieren davon Skills wie Sprengstoff, Schlösser knacken, Energiewaffen(!!!) und der Kompass zeigt dem Spieler mehr von seiner Liebe, wenn Feinde in der Nähe sind. Hinzu kommt, dass beim Level 12-Perk „Scharfschütze“ mit seiner Restriktion von mindestens 6 Wahrnehmungs-Punkten dieser Wert aus irgendwelchen Gründen wieder relevant für einen Charakter mit einem Schwerpunkt auf z.B. kleine Waffen (Agility/Beweglichkeit) wird.

Spätestens hier merkt der aufmerksame Spieler, dass SPECIAL bis auf anfangs kleine Boni nichts mit den zugehörigen Skills zu tun hat und sich eher in einer Art Schwerelosigkeit zwischen Skills und Perks ohne gewichteten Bezug bewegt. Noch deutlicher wird das bei Stat-Checks in Dialogen, wo sich höhere SPECIAL Werte in speziellen Dialogmöglichkeiten bemerkbar machen aber ohne Kontext zu den dazugehörigen Skills wie Sprechen stehen und einen meistens auch nicht weiter bringen.

Das macht SPECIAL nicht zu einer Charaktergrundlage für Skills und Perks, sondern mehr zu einem Charakterbonus. Mein Tipp ist hier einfach, vor der Charaktererstellung nachzusehen, welcher Perk welche Restriktion hat (die höchste liegt bei einem Wert von 7), da die Bezüge sich wie angemerkt teilweise jedweder Logik entziehen, und wegen der zusätzlichen Skillpunkte pro Level einige Punkte für Intelligenz zu investieren. Ansonsten ist SPECIAL irrelevant.

Moira
Gimme Radiation powaahz!

Skills, Perks und Rock’n Roll!

Etwas anders sieht die Relevanz bei den Skills aus. Wie gewohnt kann man sich anfangs auf drei Skills spezialisieren, was einen einmaligen Bonus einbringt. Auf der anderen Seite steigern sich diese Skills nicht doppelt so schnell. Nach der Beschneidung von 18 Skills in Fallout 1+2 auf 13 Skills in Fallout 3 und einem Höchstwert von 100 pro Skill hätte der doppelt so schnelle Fortschritt in den Professionen in Anbetracht des Level Caps von 20 einen „Jack of all trades“ möglich gemacht und den Spieler nicht gezwungen, sich auch tatsächlich auf eine bestimmte Spielweise zu spezialisieren. So ist es jedenfalls in der Theorie.

In der Praxis ist Sprechen der wichtigste Skill. Man merkt, wie sehr Bethesda sich darauf eingeschossen hat den Skill-Checks in den Dialogen der Vorgänger gerecht zu werden. Und zwar so sehr, dass man das Gefühl bekommt, so ziemlich jeder Quest-relevante Dialog wäre darauf zugeschnitten. Eine typisch Beth’sche Weisheit, misslungene Dinge aus der Vergangenheit in der Zukunft mit dem Holzhammer zu implementieren. Trotzdem ist es ein gutes Gefühl, wenn in Dialogen Skill-Checks stattfinden und so die Spezialisierung Früchte trägt. Deshalb belassen wir es dabei.

Da man im Ödland auch mal ein Gefecht oder zwei austragen muss sollte bei der Spezialisierung auch ein Waffen-Skill berücksichtigt werden. Die bestimmen Treffergenauigkeit und Effektivität der angelegten Waffe. Jedenfalls auch hier in der Theorie mehr als in der Praxis.

Ein Beispiel:
Ich bewegte mich überladen durch Ödland und stieß auf eine dreier-Gruppe Talon Söldner. Mir der Tatsache bewusst, dass ich im bevorstehenden offenen Gefecht nicht unbedingt die Grazie eines Balletttänzers haben werde, schlich ich mich heran und packte einen vorher erbeuteten Raketenwerfer aus mit der kleinen Hoffnung, damit wenigstens im Vorfeld des Gefechts etwas Kollateral-Schaden anzurichten und mit der weitaus größeren Angst, mir mit meinen 15 Punkten auf große Waffen selbst mit dem Geschoss in den kleinen Zeh zu schießen. Ich schaltete auf V.A.T.S. und sah mich mit einer 2%-Trefferchance konfrontiert. Ich feuerte ab und jagte einen über den Jordan, während die anderen zwei die Hälfte ihrer Lebenspunkte einbüßten.

Dasselbe gilt auch für Granaten: Egal wie niedrig die Trefferchance in V.A.T.S. ist, Verfehlen ist keine Option.

Wissenschaft und Schlösserknacken sind die Mini-Game-Skills. Das heißt nicht, diese Skills würden den Erfolg in diesen Mini-Games beeinflussen, sondern sie gewähren den eigentlichen Zugang dazu. Die Restriktionen zu den Schlössern und Computern sind stufenweise auf Skillpunkte von 25, 50, 75 und 100 gesetzt, was nicht gerade im Einklang mit der Punkt-für-Punkt-Vergabe der Skills ist. Computer zu hacken ist schmerzhaft und zeitaufwändig (man muss mehr oder weniger Passwörter erraten), Schlösser zu knacken ist sehr simpel, aber wenigstens unterhaltsam. Bei letzterem Skill ist ärgerlich, dass einige, vor allem quest-relevante Schlösser auf jeden Fall einen Schlüssel benötigen. Das lässt den passionierten Dieb manchmal mit herunter geklappter Kinnlade zurück.

Während des Spiels ist es auch möglich, Skills und Stats durch das Anlegen magischer Gegenstände wie Labor-Kittel, Rambo-Stirnbänder und Gandalfs Hut zumindest temporär und mit Bobbleheads dauerhaft zu steigern.

Nach jedem Levelaufstieg muss nach der Skillpunkt-Vergabe auch ein Perk gewählt werden. Da es Traits (Eigenschaften, die sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringen) nicht mehr gibt, wurden einige aus den Vorgängern zu Perks verarbeitet, wie z.B. Bloody Mess. Diese geben die Möglichkeit, den eigenen Charakter auf Grundlage der Skills weiter zu spezialisieren oder bis dato nicht berücksichtigte Skills mit einem Bonus-Schub eine höhere Effizienz zu geben.

Das Problem bei einigen Perks und der Tatsache, dass man im Verlauf 20 davon wählen muss ist, dass sich eine Spezialisierung nicht so recht bemerkbar machen will. Ich fühlte mich sehr oft dabei ertappt wie ich nachgesehen habe, welche Perks ich nun eigentlich bisher genommen habe. Die Spezialisierung eines Charakters funktioniert also auch hier nur bedingt.

Wir kommen aus den 50ern!

Ein paar kurze Sätze zum optischen Design. Die Fallout-Welt hat bekanntermaßen nichts mit unserer Gegenwart zu tun. Es ist ein postapokalyptisches Amerika, wie man es aus Sci-Fi Comics aus Sicht der 50er hätte erschaffen können. Diese ganze Optik ist durch eine Neo-Endzeitwelt eines Gears of War und etwas 40er Jahre Bioshock-Elemente ersetzt worden, was das optische Design austauschbar macht. Mehr als „Wir kommen aus den 50ern!“-Versatzstücke wie Plakate, 50er Jahre Autos und Frisuren kommen nicht dabei herum. Bethesda schafft es nicht, die von ihnen an den Spieler übermittelte Welt auch wirklich glaubhaft zu übermitteln. Wie oben bereits geschrieben kommt man sich so vor, als ob der Atomkrieg erst 2 Jahre her wäre und kurz vorher ein 50er Jahre Retro-Boom stattgefunden hätte.

Fallout 3
Gears of War
Fallout 3 und Gears of War

Chasing Liam

Auf der Suche nach Daddy, einen „Mann mittleren Alters“ (sic!), begegnet dem Spieler allerlei Fußvolk aus Washington und Umgebung. Und da das hier ein Rollenspiel sein soll, vergeben einige davon auch Quests, die etwas Abwechslung in die Suche bringen. Viele davon sind Dungeon Crawls, die in Metro-Stationen führen, die in Metro-Stationen führen, die in Metro-Stationen führen. Diese und Hauptquest-relevante Crawls erreichen leider nie die Klasse eines The Glow oder wenigstens die eines Sierra Army Depots. Es beschleicht einen immer das Gefühl, dass hier das Ziel und nicht der Weg dahin relevant ist nach dem Motto „Gott sei dank habe ichs geschafft, das wurde mir nämlich langsam zu doof“ – die Tunnel sind allesamt linear aufgebaut und passen eher in einen Shooter als in ein Rollenspiel, jedoch wären sie für einen Shooter wiederum zu unspektakulär.

Viele Quests haben andere Schwerpunkte, wie z.B. „The Replicant Man“. Diese passt mit ihrem Inhalt keineswegs in die Fallout-Welt, verlangt dem Spieler aber etwas Eigeninitiative ab und ist recht spannend gestaltet. In eine ähnliche Kerbe schlägt „Blood Ties“, welche zwar in wenigstens einen kleinen Dungeon Crawl mündet, aber dem Spieler nicht gleich den Quest-Kompass ins Gesicht klatscht mit den Worten „Du sollst keine anderen Orientierungshilfen haben neben mir“. Solche Quests sind rar und meistens Mini-Quests innerhalb anderer Quests, aber sie sind erfrischend.

Durch den Sprechen-Skill ist es auch möglich, Quests zu umgehen und dem Questgeber vorzulügen, man hätte das Ziel bereits erreicht. Moira gab mir die Aufgabe in ein Minenfeld zu gehen und ihr einige Minen mitzubringen. Da ich zufälligerweise eine Mine in der Tasche habe und einen Speech-Skill von ca. 60 konnte ich sie glauben machen, ich wäre bereits da gewesen. Sowas ist sehr schön, vor allem für Charaktere, die nicht gerade für einen Spaziergang auf Minenfeldern geskillt sind. Dabei bleibt es aber auch. Es gibt keine Alternativen, die sich durch den Sprechen-Skill ergeben. Alles läuft nur darauf hinaus, Quests zu verkürzen.

Die Qualität der Dialoge reicht dabei von „sehr gut“ bis zu „das kann doch nicht wirklich da stehen“. Insbesondere in Megaton verhindert die schlechte Qualität der Dialoge glaubwürdige und tiefergehende Charakterzeichnungen. Erst später in der Hauptquest und bei der Brotherhood of Steel steigt die Qualität erfreulich an und bleibt weitestgehend auf einem konstanten Level.

Leider wurde im Bereich Choices & Consequences einiges verschenkt. Jeder sollte sich daran erinnern, wie oft in den Previews geschrieben wurde, dass eine Entscheidung für Megaton und Entschärfung der Bombe inklusive Burke zu erschießen die Konsequenz hätte, Tenpenny Towers niemals von innen zu sehen. Lustigerweise gewährte man mir mit ausreichend hohem Sprechen-Skill sofort Einlass in Tenpenny’s und Zugang zu allen Vorzügen außer der eigenen Suite dort. Mr. Tenpenny, der Gentleman, der Megaton in Schutt und Asche liegen sehen wollte, ließ es mir sogar durchgehen, fünf seiner noblen Mitbewohner in die Wüste zu schicken und dafür einer Gruppe verhasster Ghule den Einzug zu gewähren. Dass ich Burke erschossen hatte schien ihm auch nichts auszumachen. Was für ein netter alter Mann.

Die Hauptquest ist sehr linear gehalten. Es stehen keine maßgeblichen Entscheidungen an. Auf der Suche nach Liam muss ein Ort nach dem anderen abgehakt werden, um die „Prophezeiung zu erfüllen“ (Seitenhieb auf ein anderes Elder Scrolls-Spiel). Die Geschichte innerhalb der Hauptquest ist sowas wie ein „Best of“ der Prequels, bestehend aus Wasserversorgung, GECK und Enklave.

Die Stärken von Fallout 3 liegen eindeutig in der Erkundung der Umwelt. Trotz eines fehlenden eigenen Stils ist die Umwelt stimmungsvoll und passt zu einer postapokalyptischen Welt. Auch macht sich hier ein gewisser Survival-Touch bemerkbar, wenn es mal nicht Questbelohnungen hagelt und man gerade so genug Equipment zum Überleben im Inventar hat. Schade ist hier, dass radioaktive Strahlung keine verheerenden Auswirkungen hat und es sehr lange dauert, bis man 1000 Punkte an Strahlung genießen konnte um anschließend zu sterben. Solange man diese Spielweise konsequent durchzieht, weiß Fallout 3 also weitestgehend zu begeistern. Leider ist das Spiel aber nicht primär auf Survival ausgelegt, das Gefühl schwindet also im späteren Verlauf.

Willkommen in Washington, und jetzt nimm Dir eine Waffe.

Primär ist Fallout 3 nämlich ein Action-Adventure, und nichts ist nützlicher in Situationen in denen Worte nicht mehr überzeugen eine umso überzeugendere Waffe zu ziehen wenn die eigene Meinung mit einem schlagkräftigen Argument untermauert werden soll.

Waffen unterliegen einer Abnutzung die bewirkt, dass bei geringer Haltbarkeit auch der zugefügte Schaden geringer wird. Der Reparatur-Skill und Waffen gleichen Typs in Reserve sollten nicht ignoriert werden, da man beim regelmäßigen Gang zum Fachmann schnell arm wird. Das Gleiche gilt auch für Rüstungen, die bei allzu hohem Materialverschleiß auch nicht mehr allzu viel Schaden absorbieren.

Viel wurde im Vorfeld über den Fat Man und in nuklearen Explosionen aufgehende Autos gelästert. Entwarnung geben kann ich hier nicht, es fühlt sich im Spiel einfach idiotisch an auf kurze Distanz ein Nukleargeschütz auf den Gegner abzufeuern oder verschrottete, seit 200 Jahren herumstehende Autos als Gefechtshilfen zu benutzen. Letzterem kommt wiederum das von mir erwähnte Spielgefühl zugute, dass der eigentliche Atomkrieg noch gar nicht so lange her sein kann.

Das Kampfsystem selbst läuft streng nach dem Shooter-Prinzip mit eingebautem Charakterwerte-System ab. V.A.T.S. ist die bis zur Unendlichkeit gehypte Option, den Kampf zu pausieren und einzelne Körperteile des Gegner anzuvisieren, um danach eine Sequenz in Zeitlupe vorgespielt zu bekommen, deren Kameraeinstellung in den meisten Fällen zumindest fragwürdig ist. Das mit Fallout 1+2 verwandte System entfaltet in der First Person mehr Schwächen als Stärken: Gegner reagieren physisch unangemessen, vor allen Dingen auf Kopftreffer. Direkt vor dem Spieler stehende Gegner werden dann hin und wieder nicht einmal getroffen, was schlicht und ergreifend unlogisch ist und in Anbetracht des Erfolgs im Echtzeit-Kampf den Spieler mit einem Fragezeichen stehen lässt. Eine einfache Ausweich-Animation hätte hier Wunder bewirkt. Es zeigt aber auch, warum das Zielschuss-System für die isometrische Ansicht und den Rundenkampf der Vorgänger konzipiert wurde. Da wirken die gleichen Situationen lange nicht so absurd.

Maybe you will think of me

Es ist also alles geworden, aber kein Fallout wie die Community es kennt und liebt. Alles was Fallout ausmachte wurde verworfen oder verändert, inklusive Gruppierungen wie die Brotherhood of Steel und Supermutanten. Aber was macht Fallout 3 in dem, „was Bethesda gut kann“ besser als Morrowind und Oblivion? Ganz einfach: ein durchdachteres Spieldesign und mehr Möglichkeiten um tatsächlich eine Rolle zu spielen. Ein gutes Rollenspiel ist es lange nicht, deshalb tendiert es auch nur zu einer Qualität eines Daggerfall ohne aber daran zu kratzen. Es ist aber ein unterhaltsames und qualitativ gutes Action-Adventure mit Rollenspielanteilen, das Fallout zu Grabe trägt.

Sinnbildlich dafür ist die Quest, den angewurzelten Harold zu erlösen. Die Parallelen zur bereits 1998 stecken gebliebenen Fallout-Reihe sind nicht zu leugnen. Bethesda schließt mit vermeintlich unzeitgemäßen Tugenden ab, verwischt alle Spuren und sieht in eine finanziell rosige Zukunft. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich Bethesda qualitativ noch einmal steigert.

Es ist das Ende von Fallout, wie man es kennt. Und Bethesda kann sich gut damit fühlen.

Autor: Zen Inc