Sowohl in Anbetracht des Kollektoren-Handlungsstrangs als auch im Kontext der bevorstehenden Reaper-Invasion. Die Hauptaufgabe Shepards und somit auch der Schwerpunkt dieses Kapitels ist das Zusammenstellen eines Teams, das den Kollektoren entgegentreten soll. Währenddessen treten sowohl die Kollektoren als auch die drohende Reaper-Invasion in den Hintergrund. Man könnte sie schon fast vergessen, wenn da nicht mehrere Zwischenfälle wären, die Shepard daran erinnern, was Sache ist. Da wären einerseits etwa Horizon, der tote Reaper oder die Entführung der Crew kurz vor Ende; andererseits die kleinen Begebenheiten im Rahmen einiger Nebenmissionen (etwa das protheanische Video-Log auf Joab). Das Ende von ME2 verdeutlicht dann schliesslich, dass sich Shepard bisher nur mit vergleichsweise kleinen Fischen rumgeschlagen hat: Die Reaper kommen!
Das Ende an sich war, vor allem dank des Soundtracks, packend inszeniert, aber kaum mit dem Ende von ME1 zu vergleichen: Hier ein übergrosses Terminator-Baby, das seelenruhig beobachtet, wie es von den Zinnsoldaten angeschossen wird; da die Sovereign, die mit tausenden von Geth-Schiffen im Schlepptau, bedrohlich auf die Citadel zu schwebt. Beim Showdown von ME1 trat man in einer scheinbar ausweglosen und verzweifelten Endschlacht gegen ein unheimliches, mythisches Wesen an, das praktisch im Alleingang durch die Reihen der Ratsflotte hindurchschnitt. Die Entscheidung ob man den Rat rettet oder die ganze Feuerkraft auf die Sovereign richtet, erzeugte wirklich das Gefühl, die Zukunft der gesamten Galaxis in den Händen zu halten. Bei ME2 sieht das anders aus. Der Showdown ist, wie gesagt, packend inszeniert und man versucht, den Kampf gegen die Kollektoren als grosse Endschlacht zu inszenieren, aber das ist er nicht. Im Grunde genommen klopft man dem Nachwuchs auf die Finger und vertreibt sich die Zeit, bis der Vater wieder zurück von der Geschäftsreise ist (ich hoffe zwar, dass die Reaper den bisher aufgebauten Erwartungen gerecht werden, aber irgendetwas sagt mir, dass ich möglicherweise enttäuscht werden könnte...
)
Vieleicht noch ein etwas 'technischeres' Fazit:
Wenn man damit leben kann, dass ME2 ein 'BioWare-Shooter' geworden ist und darüber hinwegsieht, dass das der eigentliche Showdown nur herausgezögert wird, dann wird man eigentlich kaum enttäuscht. Der Weg ist das Ziel - ME2 fühlt sich wie ein Road Movie an: Man reist durch die Galaxie, lernt Land und Leute kennen und nimmt einige Anhalter mit. Die Charaktere und ihre Rekrutierungs- und Loyalitätsmissionen waren, bis auf einige Ausnahmen, gut geschrieben (mir ist jedoch aufgefallen, dass BioWare immer wieder gerne auf gewisse Charakter-Schablonen zurückgreift...). Besonders gefallen hat mir zudem die neue Normandy mit ihren vielen Details (die Fische starben mir die ganze Zeit über weg...
). Die Nebenmissionen waren im Vergleich zum Vorgänger, nicht zuletzt dank des Verzichts auf Copypasta, abwechslungsreich und meistens auch spannend (etwa die VI-Virus-Missionsreihe oder der Javlin-Raketen-Vorfall auf Franklin). Schliesslich fand ich es sehr positiv, dass das ME-Universum weiter vertieft wurde: So wird etwa der Konflikt zwischen Quarianern und Geth beleuchtet und beide Seiten näher betrachtet (würde mich freuen, wenn dieser Konflikt in ME3 weiter ausgebaut wird).
Der positive Eindruck wird eigentlich nur von Kleinigkeiten getrübt. So gab es auch in ME2 keine Möglichkeit die Party angemessen zu verwalten, das Scannen von Planeten war auf Dauer etwas monoton. Auch negativ aufgefallen ist, dass dem Spieler an einigen Stellen 'Scheinkonsequenzen' (etwa bei der Rekrutierung von Garrus) vorgegaukelt werden, was die Glaubwürdigkeit des Spiels trübt.