Autor Thema: Nachts am ATomstrand  (Gelesen 2337 mal)

Offline Dr_Baltar

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Nachts am ATomstrand
« am: 31. März 2009, 23:00:29 Uhr »
Morgen kriegt Ihr hier was von mir zu lesen...


« Letzte Änderung: 31. März 2009, 23:02:17 Uhr von Dr_Baltar »
"Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!" -Bertold Brecht

Offline zombi1978

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Re: Nachts am ATomstrand
« Antwort #1 am: 01. April 2009, 18:51:38 Uhr »
Dann beeil dich mal, denn in ein paar Stunden gibt es kein Morgen mehr.^^

Offline Dr_Baltar

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Re: Nachts am ATomstrand
« Antwort #2 am: 01. April 2009, 19:23:09 Uhr »
Also hier die ersten beiden Kapitel meiner Geschichte:

Null

Am Anfang, bevor Gott die Erde schuf, war es dunkel und kalt. Erst schuf Gott das Meer, und dann die Kontinente. Das Meer, das ewige, unfassbare, das gewaltige, alles verschluckende. Das niemals endende Seilziehen der Gesteinsmassen, die einander im All umkreisen, das Meer aufwühlend, als sei es ein Spiegel ihrer Gefühle, gefangen in ewiger Hassliebe, auf ewig aneinander gebunden, bis zum Tage ihrer gegenseitigen Vernichtung. Auf dass nur der Tod euch scheide...

Wo das Meer auf die Kontinente trifft, bricht seine Oberfläche auf und es spült seine Alpträume und seine Geheimnisse an Land, um sie tags darauf wiederzuholen, mit sich in die Tiefe zu reißen oder auch zu belassen, auf dass sie von Wind und Sand in ihre Moleküle und Atome zerlegt werden.

Bevor Gott den Menschen schuf, war nur das Dunkel, das Meer und das Knistern des Sandes, wenn der Wind die Halme mit ihm schmirgelt. Und das ewige Rollen der Brandung, wie Hintergrundrauschen im Kosmos, in der Dunkelheit. Als ein Hauch von Licht es dämmern ließ in der Dunkelheit, erschuf Gott den Menschen. Damit er sich an seinem Spiegelbild erfreuen könne. Und an seinem Leiden.

Zwanzig Sekunden, nachdem die Dämmerung begonnen hatte, erstrahlte die Welt in einem schmerzhaften, unnatürlichen grellen Licht. Kein Blitz wie die atmosphärischen Entladungen, die des nachts furchterregende Silhouetten der Wellen gegen den Himmel warfen, gleich Monstern, aus der Tiefe aufgestiegen um zu fressen. Von denen die Erwachsenen ihren Kindern beim Kaminfeuer Geschichten erzählten, um sie Respekt und Vorsicht zu lehren, oder auch einfach nur, weil sie an ihrem Schrecken Freude fanden.

Von diesem Licht wurden keine Geschichten erzählt. Weil es keine Kinder mehr gab und keine Erwachsenen. Weil die Welt der Definitionen, vom Menschen willkürlich festgelegt, weil er glaubte, durch die Ordnung der Welt Macht zu erlangen, im Hohngelächter der freigesetzten Quanten zu schwarzer Asche verbrannte, und mit ihr die Menschen, die sie erschaffen hatten und die sie am Leben erhielten. Wo es keine Erwachsenen gibt, gibt es auch keine Definitionen mehr, und mit dem Ende der Definitionen starben auch die Kinder. Was übrig blieb, waren Asche, Ruinen und ein paar wenige Lebewesen, die durch die wieder erkaltende Welt irrten, sich gegenseitig verzehrend, fürchtend, bis auch von ihnen nur noch so wenige übrig waren, dass eine Begegnung mit einem gleichartigen Wesen etwas unwahrscheinliches, später gänzlich unbekanntes wurde. Gott hatte seine Aufmerksamkeit von seinem kleinen Experiment abgewandt und überließ den Menschen nun wieder sich selbst, und der Kälte des Alls und der Erde, die von einer dichten Schicht aus Staub und Wolken verhüllt wurde. Mit Gott zog sich auch das Licht wieder aus der Welt zurück, und die Dämmerung wurde von Tag zu Tag kürzer und wich der Nacht, dem schweren kalten Mantel vollkommener Schwärze.

Das Rollen der Brandung blieb.


Eins

Am Morgen ein endloser Strand unter einem bleiernen Himmel, nur spärlich erhellt von einem Licht wie an einem dunklen Wintertag. Die Luft eiskalt, der Wind schnitt das tote Gras am Strand in Hälften. Im Saum der letzten Sturmflut kleine bleiche Skelette von Möwen, die das Meer angespült hatte. Ihr Fleisch half jetzt dem Stoffwechsel eines anderen Lebewesens im Kampf gegen den eiskalten Griff der omnipräsenten Auslöschung. Diese Welt hinterließ nur wenige Spuren, die Elemente in ständigem Fluss.

An diesem Morgen zog sich eine lange Spur durch den nassen Sand am Meeressaum. Eine Furche, aus der Richtung des Horizontes kommend und immer dem Saum des Meeres folgend. Schon begann das salzige Wasser in die Rinne zu lecken, ihre Konturen aufzuweichen, die Spuren zu tilgen, die das kalte, trostlose Stilleben mit einem Fragezeichen versahen. Schon begann sich die Spur im Kornrauschen der Ferne zu verlieren, als sei ihr Ursprung genau so vage wie ihre Existenz als solche. So unwichtig und uninteressant, dass die Welt bereits wieder begann, die Lider über die  kalte Oberfläche zu senken. Am kommenden Tag würde der Strand wieder aussehen wie immer.

Im Halbdunkel konnte man einen Schemen erkennen, der sich unendlich langsam am Strand entlang hinein ins Dunkel bewegte, die Furche wie ein Pfadfinderzeichen hinter sich hinterlassend, den das Meer alsbald auslöschte, damit er niemals den Weg zurück fände. Der Schemen bewegte sich auf zwei Beinen und war dem Anschein nach ein Mensch, wenn er auch mit Sicherheit nicht nach der Definition des Begriffs, wie sie in den alten Tagen üblich war.
 
Vornübergebeugt, ausgemergelt, die Kleider kalt, durchnässt, stinkend, zerrissen, bewegte er sich mit stoischer Gleichförmigkeit Schritt für Schritt in die Richtung, die ihm das Meer und die Dünen als einzigen Ausweg boten: Entweder Vorwärts oder Zurück. Vorwärts.
Der Kopf von schwarzem Gummi umhüllt, sich nicht umblickend oder nach Gefahr Ausschau haltend. Wären hinter den Glasfenstern Augen zu erkennen gewesen, so hätte ihr Blick mit Sicherheit ins Leere gestarrt. In der zerlumpten Kapuze des Anoraks sammelten sich Sand und Schnee. Hinter sich schleifte der Mensch ein Bündel her, das von einer Plastikfolie zusammengehalten wurde. Das Bündel wischte seine Spur aus und  hinterließ statt dessen die lange Furche.

Es wurde dunkler. Die Gischt war kaum noch zu erkennen. Das einzige Geräusch außer dem eigenen Atem, der sich mühsam durch den Filter der Gasmaske zwängte, war das ewige Rollen der Brandung. Der Mensch verlangsamte seine Schritte und blieb schließlich stehen. Er hob den Kopf und starrte angestrengt in die Ferne. Dann wandte er den Kopf nach rechts und starrte in Richtung der Dünen, die er kaum noch erkennen konnte. Wenn er sich die Position merkte und nicht mehr aufschaute, wie lange würde er geradeaus gehen können, wenn die Finsternis in einigen Minuten vollkommen sein würde? Er langte in seine Tasche und beförderte einen zylindrischen Gegenstand zutage, den er fortan in der Hand mitführte. Dann lehnte er sich nach vorne und begann wieder, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Einen Fuß vor den anderen, Schritt für Schritt. Das war seine Überlebensformel, das war der ganze klägliche Sinn seiner Existenz. Tag für Tag das kalte, Tote Land unter seinen Füßen durchzukneten und der Versuchung zu widerstehen, zurückzublicken, Zeuge zu sein, wie es seine Spuren beharrlich wieder auslöschte.

Die Nacht schlafend zu verbringen, war der sichere Tod. Man musste auf den Beinen bleiben und gegen die Kälte ankämpfen. Wenn man sich hinlegte und einschlief, bevor der Dämmerung erster Streif die Vorahnung des nächsten grauen, bleiernen Tages brachte, würden das Land und das Meer und der Sand auch die eigene Spur tilgen und vielleicht ein Skelett hinterlassen, dass sich zu den Skeletten der Seevögel und Fische reihte. Wenn er die Orientierung verlor, würde er kleine Kreise laufen müssen, bis ihm schlecht wurde. Einen Schritt vor den anderen.
Ein Schlag weckte ihn aus seinem Mantra, dass er sich vorgebetet hatte. Etwas hatte gegen seinen Fuß gestoßen. Der nächste Schritt landete nicht in weichem Sand sondern in einem brennenden Schmerz. Er stolperte und fiel, versuchte sich an dem Bündel festzuhalten und es nicht zu verlieren. Dafür verlor er den Gegenstand in seiner Hand und riss sich die Gasmaske halb vom Gesicht. Er landete auf etwas Hartem und blieb liegen, weil er keine Luft mehr bekam. Als er sich sicher war, dass er das Bündel wiederfinden würde, griff er nach der Maske und zog sie vom Kopf. Dann fasste er nach seinem Fuß und tastete nach der Quelle des Schmerzes. Als er die Fußsohle berührte, spürte er erneut den stechenden Schmerz, jedoch weniger intensiv. Den alten Lederhandschuh abgestreift, ertastete er etwas warmes, klebriges an seiner Sohle. Er hätte es nicht mit seinen Lippen berühren müssen, um zu wissen, was es war. Hastig begann er, um sich zu tasten. Er war scheinbar auf einer hölzernen Konstruktion gelandet, wenn er den Arm weit genug ausstreckte, konnte er den scharfkantigen Rand der Konstruktion ertasten und darunter den feuchten Sand. Langsam zog er sich in Richtung des Bündels, die Gasmaske und den Handschuh fest umklammert. Als er den Rand erreichte, ließ er sich vorsichtig in den Sand hinabgleiten und begann, die Konstruktion ihrem Rand entlang abzutasten. Als er eine Viertelstunde später den zylindrischen Gegenstand ertastet hatte, blieb er einfach auf dem Rücken liegen und atmete die salzige kalte Luft, die wie nach einem verwesenden Leib roch, der im Hafenbecken trieb. Als er genug geatmet hatte, besann er sich wieder des pochenden Schmerzes, der sich seines Fußes bemächtigt hatte. Es werde Licht! dachte er, und aus dem Zylinder schoss ein schwaches Lichtbündel, mit dem er zunächst sich und dann seine Umgebung abtastete. Die klebrige Flüssigkeit, die aus seinem Fuß quoll, sah im Licht der Taschenlampe schwarz aus. Eine Spur führte von ihm weg zu der Konstruktion, bei der es sich um mehrere zusammengezimmerte Holzpaletten handelte, an die offenbar einmal Fässer befestigt worden waren, um sie schwimmfähig zu machen. Nur noch ein Fass war übrig und lag einige Meter entfernt an einem Seil im Sand, direkt neben der Schleifspur des Plastikbündels.

Auf den Knien kroch er zu den Paletten und suchte die gegenüberliegende Kante ab. Aus den Holzlatten ragten rostige Nägel wie Dornen. An einer Stelle klebte Blut, das sich in einer feinen Spur in den Sand zog und dort von der breiten Furche verschluckt worden war. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass die Spitze des Nagels fehlte. Ihm wurde auf einmal schwindlig, und wäre er nicht auf den Knien gekrochen, so hätte er diese Haltung sicher alsbald eingenommen. So ließ er sich einfach wieder zur Seite in den Sand fallen, löschte das Licht der Taschenlampe und versuchte, tief und ruhig zu atmen. Und zu überlegen.

(wird fortgesetzt)
"Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!" -Bertold Brecht

Offline batgilla

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Re: Nachts am ATomstrand
« Antwort #3 am: 15. April 2009, 21:50:05 Uhr »
Als Ich den Text durchgelesen hatte, war mein erster Gedanke - man ist das kalt. Ehrlich, du hast 10mal "kalt" oder Worte benutzt die "kalt" beinhalten. Ist vom Ausmaß her natürlich kein  "Er ging den Gang entlang bis er die Tür zum Kreuzgang erreichte"  :s000:, fiel aber (zumindest mir) auf.  Zukünftig ruhig etwas Varianz reinbringen. Wobei Ich hier gerne einräume, dass nicht unbedingt jedes Synonym zu deiner Sprache passen würde. Die anspruchsvolle Wortwahl war mehrheitlich gut, vereinzelt auch weniger gut formuliert.

Zitat
Pfadfinderzeichen

Ist zum Beispiel für mich ein klarer Stilbruch zum restlichen Text. Als stände in einem Highfantasyroman - "Er öffnete die flache Ebenholz-Schatulle, die ungefährt die Größe eines Handys hatte" (okay, sehr überspitzt ;)).

Eine andere Sache sind die komplizierten Schachtelsätze - ein Problem was wir teilen  :-\.

Zitat
Was übrig blieb, waren Asche, Ruinen und ein paar wenige Lebewesen, die durch die wieder erkaltende Welt irrten, sich gegenseitig verzehrend, fürchtend, bis auch von ihnen nur noch so wenige übrig waren, dass eine Begegnung mit einem gleichartigen Wesen etwas unwahrscheinliches, später gänzlich unbekanntes wurde.

Keine Ahnung wie, aber da muss noch ein Satz rausspringen.

Zitat
Etwas hatte gegen seinen Fuß gestoßen.Der nächste Schritt landete nicht in weichem Sand sondern in einem brennenden Schmerz.

Streng genommen, stieß er mit seinem Fuß gegen etwas. Mein Schreibtisch stößt auch nicht mich, wenn Ich per Zufall mein Knie gegen die Kante haue #lachen#.

Der Inhalt deiner Geschichte ist schwierig zu beurteilen, da es ein wenig auf die weitere Entwicklung ankommt. Bleibst du weiter dystopisch, apokalyptisch und der Welt entrückt - gut. Das dir noch die Drehung zu einer Actiongeschichte gelingt (was du mMn allerdings nicht versuchen wirst), erwarte Ich nicht. Würde trotzdem gerne weiter lesen :).

Offline Lexx

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Re: Nachts am ATomstrand
« Antwort #4 am: 04. Mai 2009, 09:37:26 Uhr »
Also so schlimm finde ich den von dir zitierten Schachtelsatz gar nicht. Da hab ich schon größere Konstruktionen hinbekommen. :s000:
only when you no-life you can exist forever, because what does not live cannot die