Autor Thema: Jade Dearing - Die Tochter des Rangers (Kapitel 5)  (Gelesen 2050 mal)

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Jade Dearing - Die Tochter des Rangers (Kapitel 5)
« am: 27. September 2008, 23:53:14 Uhr »
Kapitel 5 – Eine Tour nach Frisco

~San Francisco~
„Sie können sich wieder anziehen Miss Dearing, die Behandlung ist abgeschlossen.“

Die Tonlage des Arztes war gewohnt professionell und fachmännisch, aber Jade spürte seine gierigen Blicke auf ihrem nackten Körper. Kaum hatte sie ihre Kleider wieder angelegt, da begann er sie im Geiste auch schon wieder auszuziehen. Sie sah es in seinen Augen, seiner Mimik. „Sind Sie zufrieden mit dem, was sie sehen?“, fragte sie mit einem Schmunzeln im Gesicht, welches der Mediziner jedoch nicht sehen konnte, da sie ihm den Rücken kehrte. Die zweideutig gestellte Frage machte ihn merklich nervös. Er begann zu stottern. „Ich? N-Natürlich! Alle Sitzungen verliefen ohne Komplikationen. Es werden absolut keine Narben oder andere Makel zurückbleiben, darauf haben Sie mein Wort. Sie hatten großes Glück, dass man Sie so schnell hier hergebracht hat. Der Gewebeverfall hatte noch nicht den kritischen Punkt überschritten.“

Glück. Ja, es war Glück gewesen. Unglaubliches Glück sogar, dass sie dieses Blutbad überlebt hatte. So viele waren sie zu Beginn gewesen und doch blieben am Ende nur wenige übrig, die dieses Glück nun mit ihr teilten.

~Zuvor~
Jade öffnete langsam die Augen und erblickte den trüben Himmel eines wolkenverhangenen Nachmittags. Sie lag auf dem Rücken, alle Viere von sich gestreckt. Matt, müde und unendlich schwer kam sie sich vor. Ein ohrenbetäubendes Fiepen hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Schrill übertönte es alle anderen Geräusche, quälte sie wie tausend Nadelstiche. Jade hatte das Gefühl, als müsse jeden Moment ihr Schädel explodieren. Unter Anstrengung gelang es ihr, die Hände zum Kopf zu führen und sich die Ohren zuzuhalten, doch auch das brachte keine Linderung. Der Krach lärmte unberührt weiter. Dann spürte sie Feuchtigkeit. Blut. Ihre Hände waren blutig. Sie reckte den Kopf und obwohl sie den Schmerz noch nicht fühlen konnte, trieb ihr das, was sie sah, die Tränen in die Augen. Ihre Kleidung hing nur noch in Fetzen, offene Wunden entblößten das rohe Fleisch und einige Splitterfragmente hatten sich tief in ihren Leib gebohrt. Überall war Blut. Ihr Blut und das der anderen, denn rings um sie herum lagen die Leichen der Gefallenen und tränkten den trockenen Boden in tiefes Rot.

Die Zeit verstrich. Das Fiepen wurde schwächer und verschwand irgendwann, doch dafür kam der Schmerz. Nun, da das aufgestaute Adrenalin langsam ihren Körper verließ, konnte Jade ihn spüren. Sie ertrug ihn still, denn in der Welt zwischen Träumen und Wachen, in der sie nun weilte, hatte sie nicht mehr die Kraft ihren Qualen Ausdruck zu verleihen. Leer starrte sie zur Seite; ihre Atmung kaum mehr als ein leises Flüstern. Zum zweiten Mal in ihrem Leben stand sie auf der letzten Schwelle, nur wenige Schritte vom Ende entfernt. Doch sehnsüchtig blickte Jade zurück. Sie wollte noch nicht gehen.

Ohne Vorwarnung stampfte plötzlich ein schwerer Stiefel in ihr Blickfeld, trat auf eine Stelle unmittelbar neben ihre ausgestreckte Hand. Die Augen fast geschlossen und am letzten Faden gezogen, der sie noch im Diesseits hielt, packte sie zu…

~San Francisco~
„Von sowas hab ich keine Ahnung, aber wenn sie es sagen Doc.“ Jade zog den Ärmel hoch bis über den Ellenbogen und betrachtete ihren Arm. Die Haut war noch etwas wund und an vielen Stellen gerötet. Auch die dünnen Schnitte konnte man hier und da noch als winzig rote Fäden erkennen, aber ein Verband war nicht mehr nötig. Die ersten drei Sitzungen hatte sie in künstlichem Schlaf verbracht und nicht bewusst miterlebt. Es mussten schwere Operationen gewesen sein. Später waren unter leichter Betäubung nur noch kleinere Korrekturen und Feinarbeiten vorgenommen worden, welche heute mit der siebten Sitzung ihr Ende erreichten.

„Nun ja, ich will Sie nicht mit Details langweilen.“, meinte der Arzt und betrachtete Jades ansehnliches Hinterteil, welches ihn in einer engen Jeans fröhlich anlächelte. „Sagen wir einfach, Sie hatten einen sehr fähigen Schutzengel und mächtig Hilfe von diesem Wunderwerk der modernen Medizin. Wirklich fantastisch diese Maschine, nicht wahr!?“

~Zuvor~
Jade lag unter einem der Karren und verteidigte ihr Leben. Dieses Gewehr war einfach fantastisch! Der Rückstoß beim feuern war hart, aber erträglich. Kein Mündungsfeuer war zu sehen, wenn der Abzug betätigt wurde, jedoch konnte man ein undefinierbares Zirpen hören, unmittelbar gefolgt von einem lilafarbenem Schweif, der fast geräuschlos aus dem Lauf schoss und die kerzengerade Flugbahn des Geschosses erahnen lies, bevor er binnen Sekundenbruchteilen wieder verblasste. Jade hatte keine Ahnung was für eine Art von Munition sie da abfeuerte, oder wie sie abgefeuert wurde, doch nichts und niemand stand mehr auf den Beinen, wenn die Projektile einschlugen. Nein. Sie schlugen nicht ein, sondern pflügten hindurch. Weder zentimeterdicke Metallplatten noch die stärksten Polymerpanzerungen schienen ansatzweise Schutz zu bieten. Oft fielen mehrere Feinde durch nur einen Schuss und wie weit die Kugel dann noch weiterflog, vermochte niemand zu sagen.

Jade hätte lachen können. Faszination, Euphorie und Adrenalin hatten ihr die Angst genommen und sie begann dieses blutige Spektakel fast zu genießen. Für den Bruchteil eines Moments kam sie sich unbesiegbar vor. Unverwundbar. Doch dann, als es beinahe wirklich so aussah, als würde ihre notdürftige Bastion den Ansturm aufhalten können, sah Jade die Rakete heranrauschen. Es blieb nicht genug Zeit. Sie schaffte es gerade noch in entgegengesetzter Richtung unter dem Wagen hervorzukriechen, als der Tod mit eiserner Faust einschlug. Holz, Metall, Blut, Knochen und Gedärm flogen wie Konfetti durch die Luft. Die Druckwelle schleuderte Jade viele Meter durch die Luft, brach ihre Knochen und zerfetzte ihr Fleisch.

~San Francisco~
„Der Auto-Doc?“, fragte Jade und sah sich dieses merkwürdige Konstrukt aus Kabeln, Schläuchen, Greifarmen und allerlei bizarren Utensilien eine Weile an. Das Gerät stand neben einer Liege, die man in einen mit Flüssigkeit gefüllten Tank absenken konnte. Viele andere, kleinere Apparaturen und Behälter waren an die große Maschine angeschlossen. Ein wahrer Salat aus Kabeln, Lämpchen und Displays, so dass man ohne Mühe den Überblick verlieren konnte. Das ganze Ding sah aus wie dem Wahnsinn entsprungen und doch hatte es ihr nicht nur das Leben gerettet, sondern sie auch so wiederhergestellt, dass man die Schwere der einstigen Verletzungen kaum mehr vermutete. Mochte man dem Arzt glauben, so würde nach eins, zwei Wochen der Selbstheilung absolut nichts mehr auf die alten Wunden hinweisen.

„Ja, natürlich!“, strahlte der Doktor und fühlte sich offensichtlich zu einem kleinen Vortrag angestachelt. „Dieser hier ist außergewöhnlich. Vielleicht sogar einzigartig! Soweit wir wissen, war es der Prototyp einer neuen Baureihe, die kurz vor ihrer Fertigstellung stand, als die Bomben fielen. Nun ja, genaueres konnten wir den Prospekten nicht entnehmen und die Baupläne existieren wohl nicht mehr, aber ich denke so ein glanzvolles und voll funktionstüchtiges Überbleibsel der Vorkriegstechnologie sieht man nicht alle Tage! Es hat Jahre gedauert, die Funktionsweise zu erlernen. Ich übertreibe nicht, wenn ich Ihnen sage, dass Sie überall anders wohl kaum so schnell und hundertprozentig wieder genesen wären, wie bei uns.“

~Zuvor~
Jade betrachtete das merkwürdige Gewehr, das ihr McKinnon in die Hand gedrückt hatte. Ein tödliches High-Tech-Instrument aus einer Zeit voller Wunder, die sie sich nicht vorstellen konnte. Der hintere Teil mit Gewehrkolben, Griff und Abzug sah noch recht gewöhnlich aus. Der lange Lauf jedoch ähnelte einer Aneinanderreihung von runden Spulen und endete in drei länglichen Zinken, ähnlich einer Stimmgabel. Der innere Laufdurchmesser war erschreckend klein; das Kaliber schien geradezu winzig.

Jade drückte das kompakte Magazin in die Waffe bis es einrastete. Ein merkwürdiges Klacken war zu hören, dann summte es kurz, so als würde sich etwas aufladen. Neben ihr stand Logan McKinnon, eine schwere Minigun mit der einen Hand haltend, während er mit der anderen einen Munitionsgürtel in die Waffe einführte. „Lass dich nicht täuschen.“, brummte er und nickte auf Jades Gewehr. „Wo die Dinger einschlagen, lacht kein Kind mehr! Leg auf die in schwerer Kampfrüstung an. Mit der Avenger mähe ich den Rasen und du fällst mit der Gauss die Bäume, ok!?“ Jade nickte, aber im Vergleich zu dem wuchtigen Geschütz ihres Gegenübers kam ihr dieses sogenannte ‚Gauss Gewehr’ ziemlich schmächtig vor.

Dann kamen sie über den Hügel. Raider. Unzählige. Erste Schüsse zischten durch die Luft, als die Verteidiger hinter den schweren Lastenkarren Position bezogen hatten. Das letzte Luftholen vor dem großen Blutvergießen. McKinnon warf die Avenger an. Ein leises Surren erklang, welches sich innerhalb von wenigen Sekunden in ein lautes Kreischen steigerte. Immer mehr Raider tauchten auf. Es war unfassbar in welcher Masse diese menschliche Welle auf sie zuraste. McKinnon presste Zeige- und Mittelfinger gegen den roten Schalter und die Avenger begann ihre tödliche Ladung zu spucken.

„Feuer! Los! Verteidigt den Caravan !!“

~San Francisco~
„Wahrscheinlich.“, antwortete Jade. Das Gespräch begann sie anzuöden. Sie war glücklich und froh mit dem Leben davongekommen zu sein, doch die Herkunft oder Funktionsweise dieses medizinischen Ungetüms interessierten sie wenig. „Trotzdem hoffe ich, in Zukunft nicht mehr Ihre wundervolle Technik in Anspruch nehmen zu müssen.“, beendete sie den Satz und hoffte die Unterhaltung damit abzuwürgen. Sie hatte nun all ihre Sachen zusammengepackt. Zuletzt fand die Widowmaker ‚Bettie’ den Weg in ihren Rückenhalfter, dann wandte sich Jade wieder dem Arzt zu. „Danke für alles, aber ich will keine Zeit mehr verlieren. Ich konnte keine Nachricht nach Hause senden und man macht sich sicher schon Sorgen um mich. Eine Anzahlung wurde bereits geleistet. Wieviel steht noch aus?“

Der Mediziner rückte seine Brille zurecht. „Nun, natürlich. Wer würde eine so wunderschöne Frau nicht vermissen!?“ Er lächelte sie an. Es war nicht schwer die Gedanken hinter den weißen Zähnen und funkelnden Augen zu lesen. Natürlich war der Preis für diese fürstliche Versorgung astronomisch. Unter anderen Umständen hätte sie in hundert Jahren nicht ansatzweise genug Deckel auftreiben können, um die Rechnung zu begleichen. Ein ähnlicher Gedanke kam wohl auch dem Doktor, der seine eigene Lösung für dieses Problem schon ausgemalt hatte. Jade sah die Enttäuschung in seinem Gesicht, als sie die genannte Summe auf den Tisch klatschte. Sie grinste ihn an und schenkte ihm ein Zwinkern, bevor sie nach draußen eilte und ihrem Begleiter in die Arme fiel, der dort auf sie gewartet hatte.

~Zuvor~
Raider. Es war höchst selten, dass sich die vielen verfeindeten Clans und Gruppierungen zusammenrauften, doch für diese Beute lohnte sich alle Mühe. Die Nachricht von der gewaltigen Karawane hatte schnell die Runde gemacht und bereits als sie den Hub erreichte und diesen zwei Tage später wieder verließ, waren die ersten Bündnisse geschlossen und dreckige Pläne geschmiedet. Natürlich würde es nach diesem Beutezug wieder zum Zwist kommen. Alle würden sich wieder untereinander hassen und bekriegen. Jeder wusste es, doch keiner sprach es aus. Die Gier schweißte sie vorübergehend zusammen, machte sie stark und gefährlich. Wenn alle an einem Strang zogen, waren sie eine Macht, mit der man rechnen musste. Dutzende Banden hatten sich zusammengefunden und viele hundert Mann stark waren sie nun.

Die Karawane zog durch das Ödland. Über zwei Woche lang war absolut nichts geschehen, aber als am neunzehnten Tag der Späher wie ein gehetztes Tier über einen nahe gelegenen Hügel zurückgerannt kam, dauerte es nicht lange, bis sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet hatte. Fast siebzig grimmige Söldner schützten den Caravan, doch mit dieser Flut, die da auf sie zurückte, hatte niemand gerechnet. Fliehen kam nicht in Frage. Flucht hieße, die Ware zurückzulassen. Und selbst wenn sie es schafften, dieses Niemandsland ohne Proviant zu durchqueren, hätte kurze Zeit später irgendjemand das Kopfgeld eingestrichen, welches wegen schwerem Vertragsbruch auf sie ausgesetzt worden wäre.

„Scheiße Mann, das sind zu viele!“, flüsterte einer neben ihr. Ein stämmiger Kerl mit dickem Wanst und Cowboyhut. Jade sah ihn an. Schweiß lief seine Schläfen herunter und Angst lag in seinen Augen. Die Angst zu sterben. „Was machen wir jetzt?“, rief ein anderer. „Was wir machen!?“, fiel ein dritter panisch ein. „Wir werden alle sterben! Wir werden…“ Weiter kam er nicht, denn die gepanzerte Faust eines breitschultrigen Mannes in zerkratzter Kampfrüstung brachte ihn zum Schweigen. Logan McKinnon war einer der Karawanenaufseher für diese Tour. Er war für die Sicherheit zuständig und hielt ein waches Auge auf alle angeheuerten Arbeitskräfte, denn Diebe waren keine Seltenheit, wenn wertvolle Fracht transportiert wurde. Die Aufseher standen direkt unter dem Karawanenmeister, hatten das Kommando über jeweils vier oder fünf Wagen und organisierten die Verteidigung im Falle eines Angriffs. McKinnon war von stiller Natur. Er redete nicht viel, lies aber deutliche Taten sprechen, wenn dies von Nöten war. „Klappe zu!“, knurrte er ungehalten. „Keiner verbreitet Panik und keiner versucht abzuhauen, sonst jag ich ihm ne Kugel in den Bauch! Ihr habt für diese Tour unterschrieben und ihr bringt sie zu Ende!“ Er zeigte auf ein paar Männer und brüllte ihnen Befehle zu. „Du und du da: Seht zu, dass ihr die Planen von den Karren bekommt, aber dalli! Ihr drei: Schafft mir die Kisten da runter und macht sie auf! Jeder schnappt sich etwas, mit dem er umgehen kann! Ammo ist in diesen Boxen da. Du: Kümmere dich darum, dass jeder Munition bekommt!“ Alle parierten, denn jeder wusste, dass es keine Alternative für sie gab. Die Brahminkarren wurden teilweise entladen und so zusammengestellt, dass sie eine Art Schutzwall bildeten. Die Tiere selbst blieben an die Wagen gekettet, doch versuchte man sie aus der direkten Schusslinie herauszuhalten. Es gab weder Zeit noch Platz sie anderweitig in Sicherheit zu bringen. Als fast alle Hände zu tun hatten, stapfte McKinnon umher und rief ein paar letzte Anweisungen. „Und denkt ja nicht, dass ihr das Zeug mitgehen lassen könnt, wenn die Sache hier vorbei ist! Wir haben mehrere Inventarlisten. Jeder wird gefilzt! Wer irgendwas klaut, wird ohne zu Zögern exekutiert, ist das klar!? Verbraucht Munition so viel ihr wollt, aber die Waffen gebt ihr wieder ab! Und wenn ich einen wegrennen sehe, schieß ich ihm ohne mit der Wimper zu zucken in den Rücken. Alles bleibt hier hinter diesen Karren stehen!“

Jade packte die Widowmaker in den Halfter zurück. Im Angesicht der auf sie zumarschierenden Massen erschien sie ihr wie ein Witz. Abenteuer lag ihr im Blut, aber dieses Mal hatte sie wirklich Angst nicht mehr nach Hause zurückzukehren.

~San Francisco~
„Da bist du ja.“, wurde Jade von einer tiefen, bärigen Stimme begrüßt, als sie das Krankenhaus verließ. Ohne zu antworten, lief sie auf den großen Mann zu und die beiden küssten sich in einer innigen Umarmung. „Wie war’s?“, fragte Logan, als sie nach einiger Zeit wieder voneinander abließen. „Alles gut gelaufen?“ Jade strahle ihn an. „Ja, endlich fertig. Die letzten Verletzungen verheilen von alleine. Der Doc meinte, es bleiben keine Narben oder Schäden zurück. Aber du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ich die Rechnung bezahlt habe. Der dachte wohl ich armes Mädchen müsste mit was anderem bezahlen.“ Logan runzelte die Stirn und sah grimmig zum Hauptportal hinüber. „Vergiss es.“, lachte Jade. „Jetzt will ich nur noch schnell nach Hause.

~Zuvor~
„Hör zu Liebes, ich weiß du bist ganz versessen auf solche Touren, aber dieser Caravan führt nicht nur extrem wertvolle Waren mit sich, sondern zieht auch quer durch ungeschütztes Gebiet. Ich verwette mein Haus, dass ihr nicht ohne Probleme bis nach Frisco durchkommt!“ Greg packte seine Tochter an der Schulter und versuchte ihr ins Gewissen zu reden. Die Karawane, die gestern im Hub angekommen war, hatte etwas Besonderes. Woher sie kam, wusste kaum einer so genau, doch die nächste Route führte sie vom Hub durch das Ödland bis nach San Francisco, wo scheinbar Endstation sein sollte. Die Ladung bestand hauptsächlich aus High-End Waffen und Equipment. Die letzten großen Errungenschaften der Rüstungsindustrie, bevor die Welt in Rauch und Asche vor die Hunde ging. Schon eines dieser Vorkriegswunder war tausende Deckel wert, doch die Kisten und Boxen, welche hier auf- und abgeladen wurden, führten unzählige davon. Der Job wurde gut bezahlt; sehr gut sogar. Der Preis war allerdings angemessen, rief man sich den Wert der Ware und die damit verbundene Gefahr eines Überfalls in Erinnerung.

Jade sah hinüber zu den vielen Karren und Wagen. Sie zählte sie nicht, aber es waren mindestens fünfundzwanzig an der Zahl. Natürlich wurden wie üblich Brahmin als Zugtiere eingesetzt und überall roch es nach Vieh. Schaulustige hatten sich versammelt, um das rege Treiben neugierig zu bestaunen. Einige Männer und Frauen wuselten geschäftig umher und gingen ihren Aufgaben nach, während angeheuerte Wachen ihren Sold für die Tour hierher kassierten und in der Menge verschwanden. Im ganzen Hub wurde über die schwarzen Bretter nach Ersatz für sie gesucht. Der Lohn lockte viele und auch Jade hatte sich gemeldet. Es war offensichtlich, dass irgendwer eine Menge Geld und Aufwand in diese Tour gesteckt hatte. Sie folgte keiner der üblichen Routen und transportierte keine gewöhnlichen Güter. Der Sinn und Zweck dieser Aktion blieb Jade verborgen, ebenso welches der Caravan-Häuser dahinter stecken mochte, doch das Abenteuer juckte sie mehr denn je in den Fingern.

„Ich bin alt genug Greg.“, antwortete sie ihm in einem besänftigenden Tonfall. „Außerdem habe ich bereits unterschrieben. Du vor allen anderen solltest wissen, dass man einen Vertrag nicht einfach so bricht. Ich kann schon auf mich aufpassen.“ Greg seufzte. „Ja, du hast Recht, aber ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser Tour. Keiner der Merchants scheint zu wissen, wer oder was dahinter steckt. Verdammt, wenn ich nicht so alt wäre und hier nicht meine Verpflichtungen hätte, würde ich dich begleiten, nur um auf dich aufzupassen.“ Jade sah den alten Herrn an und ihr wurde warm ums Herz. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und umarmte ihn. „Mach dir keine Sorgen, ich komme schon heil wieder. Jetzt muss ich aber los, die fahren bald ab. Bis bald.“ Greg Dearing nickte stumm. Jade wandte sich ab und ging ein paar Schritte, blieb dann jedoch stehen. Sie hatte das Gefühl etwas vergessen zu haben. Als sie sich umdrehte und zurückblickte, stand der alte Mann noch immer da und sah ihr hinterher. „Ich liebe dich, Dad!“, begann sie aus einer spontanen Laune heraus zu rufen und winkte ihm ein letztes Mal zu, bevor sie von der Menschentraube um den Caravan herum verschluckt wurde. Greg hob die Hand zum Abschied und kämpfte mit den Tränen. Nie vorher hatte sie ihn ‚Dad’ genannt. Nie mehr danach würde sie es tun…

~San Francisco~
„Gut, lass uns gehen.“, sagte Logan und blickte in die Ferne. Ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht. Zweifel überkamen ihn, doch noch lag eine lange Strecke vor ihnen. Genug Zeit die Gedanken neu zu ordnen. „Was ist?“, fragte Jade fröhlich und ergriff seine Hand. Logan sah sie an und lächelte. Es war irgendwie ein trauriges Lächeln. „Nichts. Komm her…“ Er drückte sie an sich und küsste sie.

So schwer die Verluste auch waren, letztendlich hatte man den gewaltigen Verbund der Raider in die Flucht schlagen können. Die meisten Wagen schafften den Weg nach Frisco und die Tour blieb – zumindest auf finanzieller Ebene – ein gewinnbringender Erfolg. Der Sold der Gefallenen wurde großzügig unter den wenigen Überlebenden aufgeteilt. Eine königliche Entschädigung für jene, denen das Glück hold geblieben war. Jades Anteil wurde durch die medizinische Versorgung fast vollständig aufgebraucht. Auch Logan McKinnon steuerte einen Großteil des seinen bei und hatte die erste Anzahlung geleistet, als er Jade halb tot in die Klinik getragen hatte. Beiden blieb am Ende gerade noch genug übrig, um für Proviant und eine günstige Reisemöglichkeit zurück in den Hub zu sorgen. Fast sieben Wochen waren seit dem Anfang ihrer Fahrt vergangen und weitere drei Wochen der Heimreise lagen nun noch vor ihnen. Wäre alles so gelaufen wie geplant, hätte Jade den Hub bereits vor etwa einer Woche erreichen müssen und sie fürchtete, dass sich ihr Vater große Sorgen um sie machte. Zu ihrem Unglück waren diese Ängste unbegründet, denn Greg Dearing war zu diesem Zeitpunkt bereits tot…


Fortsetzung folgt...
« Letzte Änderung: 04. Oktober 2008, 21:18:32 Uhr von Cerebro »